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anarchie [2017/09/16 16:12] 78.48.55.11 Geschichte der Anarchie |
anarchie [2018/09/01 23:30] (aktuell) manu |
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====== Anarchie ====== | ====== Anarchie ====== | ||
- | {{ :parteien:kp:anarchists-with-sign.jpg?300|}}Anarchie ist auch eine Sache die oft falsch verstanden wird. | + | <note warning> |
+ | Zu diesem Artikel gibt es verschiedene Meinungen. Bitte beachte die Diskussion auf der Diskussionsseite! | ||
+ | Bitte denke daran dass wenn du etwas löschst weil es deiner Meinung nach nicht stimmt, du dennoch auf die andere Meinung eingehst und erklärst warum sie objektiv gesehen falsch ist (wenn sie das ist). | ||
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+ | {{ :parteien:kp:anarchists-with-sign.jpg?300|}}Anarchie ist auch eine Sache die oft falsch und völlig unterschiedlich verstanden wird. | ||
Das Wort Anarchie kommt aus dem griechischem "anarchía" was so viel bedeutet wie "Herrschaftslosigkeit". | Das Wort Anarchie kommt aus dem griechischem "anarchía" was so viel bedeutet wie "Herrschaftslosigkeit". | ||
+ | Man könnte sagen Anarchie ist eine Regierungsform, allerdings wäre das nicht ganz richtig, denn eigentlich ist Anarchie keine Regierungsform an sich, sondern lediglich das FEHLEN einer Regierungsform - nicht mehr und nicht weniger. | ||
- | ===Zitate=== | + | Im englischen wird Anarchie auch oft gleichbedeutend mit "Anomie" (dem Fehlen von Moral und Ordnung in der Gesellschaft) verwendet oder gar gleichbedeutend mit Unruhen, Gewalt und Bürgerkrieg. In Wirklichkeit ist Anarchie AN SICH nichts davon - da Anarchie eben lediglich das Fehlen einer Regierung und natürlich auch das Fehlen staatlicher Gewalt ist. Staatliche Gewalt schließt Dinge wie Polizei und Richter mit ein. Da es also in einer Anarchie daher eben keine allgemeingültigen Gesetze, keine Polizei, keine Richter und keine Armee gibt, gibt es natürlich auch keine effektiven Methoden um Dinge wie "Anomie", Unruhen, Gewalt und Bürgerkrieg zu verhindern. Von daher ist es sehr wahrscheinlich das eine Anarchie zu diesen Dingen führen wird. Es ist aber nicht dasselbe Konzept und das eine MUSS auch nicht zwangsläufig zum anderen führen. Rein theoretisch könnte eine Anarchie auch völlig friedlich und harmonisch sein - vorausgesetzt natürlich ALLE Menschen SIND AN SICH bereits völlig friedlich und harmonisch und niemand macht etwas Schlechtes. In der Realität ist dies aber (gerade heutzutage) eher selten der Fall und sobald jemand etwas Schlechtes macht und z.B. stiehlt oder mordet, gibt es in einer Anarchie ja keine Polizei um dem Einhalt zu gebieten. Das heißt entweder man lässt ihn gehen und immer weiter stehlen und morden oder es bilden sich "[[http://de.wikipedia.org/wiki/Lynchjustiz|Lynch Mobs]]" - heißt er wird nicht von dafür geschulten Beamten, sondern vom aufgebrachten Volk ohne ein offizielles Verfahren und ohne Richter, Anwälte oder allgemeingültige Gesetze gerichtet und {{ :parteien:kp:363527.jpg?300|}}wahrscheinlich eben "gelyncht" (von der wütenden Masse ermordet). Eine andere Form von Justiz wäre nicht wirklich möglich, eben weil es keine gelernten Richter, keine Polizisten, kein allgemeingültiges Gesetz und keine Gefängnisse gibt - denn all dies wäre ja Teil des Staates und der staatlichen Gewalt und in einer Anarchie gibt es per Definition eben keinen Staat und keinerlei staatliche Gewalt. Sobald es diese Dinge gibt, oder sie sich bilden, wäre es ja keine Anarchie mehr. |
- | Die größtmögliche Freiheit (Anarchie) mit der größtmöglichen Gleichheit (Kommunismus) zu verbinden ist einer der Grundwerte des Anarchismus. | + | Ein weiteres Mißverständnis ist, dass Anarchie auch oft gleichbedeutend mit [[Kommunismus]] und [[Sozialismus]] verwendet wird. In Wirklichkeit ist Anarchie so ziemlich das exakte GEGENTEIL von Sozialismus. Denn Anarchie ist das Fehlen einer Regierung bzw. eine Regierung ohne jegliche Macht und Sozialismus ist eine Regierungsform in der die Regierung praktisch vollständige Macht hat und von der Regierung sogar bestimmt wird wie viel Besitztümer ein jeder Bürger haben darf und wie er zu denken und handeln hat. Anarchie und Sozialismus sind also zwei entgegengesetzte Extreme, wobei "normale" Regierungsformen wie Demokratie oder eine konstitutionelle Monarchie irgendwo (mehr oder weniger) in der Mitte liegen. Und was den [[Kommunismus]] angeht - der Kommunismus wäre quasi Anarchie und Sozialismus gleichzeitig - was nicht wirklich möglich ist, da sie wie gesagt völlig entgegengesetzt sind und einander ausschließen, aber mehr dazu im Artikel über [[Kommunismus]]. |
- | Der Marxismus hingegen ist ein gefälschter Kommunismus, da es in ihm weder Freiheit (Anarchie) noch Gleichheit (Kommunismus) gibt. | + | Auch was die Marktwirtschaft angeht ist eine Anarchie natürlich das genaue Gegenteil von Sozialismus und Kommunismus. Denn im Sozialismus ist die freie Marktwirtschaft so weit eingeschränkt das es sie praktisch überhaupt nicht mehr gibt. Der Staat kontrolliert sämtliche Aspekte der Wirtschaft und dem Staat gehören sämtliche Betriebe. Private Betriebe existieren praktisch nicht. In einer Anarchie aber wiederum gibt es keinen Staat dem überhaupt irgend etwas gehören könnte. Insofern hätte eine Anarchie zwangsläufig die freieste und "[[kapitalismus|kapitalistischste]]" Marktwirtschaft überhaupt - denn es gibt ja keinen Staat und daher auch keinerlei staatliche Einschränkungen - selbst für sehr große Betriebe nicht und auch Monopolbildungen könnten nicht verhindert werden und es würde selbst für die reichsten Firmen keinerlei Steuern geben. Andererseits gäbe es natürlich auch keinerlei polizeilichen Schutz der z.B. verhindern würde, dass Betriebe ausgeraubt oder Händler und Kunden betrogen werden. |
+ | {{ :parteien:kp:48-hour-strike-greece-crop-72.png?300|}} | ||
- | "Die absolute Freiheit des Einzelnen — der bloß den Geboten seines eigenen Gewissens gehorchen sollte — und der Anarchistische Kommunismus waren die Losungsworte dieser Erhebung. Und erst später, als es dem Staat und der Kirche gelungen war, die feurigsten Vorkämpfer auszurotten und sich der Bewegung die bisherweise zu ihrem eigenen Vorteil zu bemächtigen, wurde sie ihres revolutionären Charakters beraubt und zur lutherischen Reformation herunter verhunzt. " | + | ====Somalien?==== |
- | Fürst Peter Kropotkin (in: "Der Staat und seine historische Rolle") | + | Ein Beispiel für ein heutiges Land mit Anarchie wäre Somalien. Jetzt gibt es natürlich einen Aufschrei der Anarchisten die sich Anarchie schöner vorgestellt haben. Sie lehnen Somalien als ein Beispiel für ein "real existierendes" Land im Zustand von Anarchie ab, da sie sagen Somalien habe zwar keine Regierung, aber die dortigen "Warlords" welche die verschiedenen Fraktionen innerhalb des dort herrschenden Bürgerkriegs anleiten, besäßen eine gewisse Macht und solange es noch Leute gibt die Macht besitzen, könne es keine Anarchie sein. Man muss aber bedenken dass diese somalischen "Warlords" wirklich keine Regierungsoberhäupter im üblichen Sinne sind. Im Prinzip sind es einfach Terroristen, Gangsterbosse und Piraten. Und natürlich besitzen solche Leute (gerade in einem Land ohne staatliche Polizei oder staatliche Armee) eine gewisse Macht, da sie sich dort völlig frei ausbreiten können. Wenn die Definition von Anarchie aber wäre dass eine Anarchie völlig friedlich sein müsse und es keine Gangsterbosse geben dürfe, dann wäre eine Anarchie in der Realität gänzlich unmöglich, eben weil es in einer Anarchie keinerlei Gesetze oder effektive Mechanismen gibt um Terroristen und organisiertem Verbrechen Einhalt zu gebieten. |
- | Im englischen wird Anarchie auch oft gleichbedeutend mit "Anomie" (dem Fehlen von Moral und Ordnung in der Gesellschaft) verwendet oder gar gleichbedeutend mit Unruhen, Gewalt und Bürgerkrieg. In Wirklichkeit ist Anarchie AN SICH nichts davon - da Anarchie eben lediglich das Freiheit und natürlich auch Selbstverwaltung darstellt. Staatliche Gewalt schließt Dinge wie Polizei und Richter mit ein. Da es also in einer Anarchie daher eben keine Polizei und keine Armee gibt. | + | Was nicht heißt dass es keine (historischen) Beispiele für "funktionierende" Anarchien gibt bzw. für Anarchien die nicht zu Anomien wurden. Aber der Grund warum sie nicht zu Anomien wurden, ist weil die Leute an dem Ort und zu dem Zeitpunkt moralische Maßstäbe z.B. aufgrund ihrer Kultur oder Religion hatten die einen Verfall in eine Anomie auch in einer Gesellschaft ohne Gesetze und staatliche Gewalt verhinderten. Dies ist aber in der heutigen Zeit und auch besonders in Somalien, aber kaum noch gegeben, weshalb sich das Verfallen in eine Anomie leider heutzutage meist nur schwer verhindern lässt. |
- | Ein weiteres Mißverständnis ist, dass Anarchie auch oft gleichbedeutend mit [[Marxismus]] verwendet wird. In Wirklichkeit ist Anarchie so ziemlich das exakte GEGENTEIL von Marxismus. | + | Ein weiterer Faktor der es heutzutage für "funktionierende" Anarchien schwer macht, ist die Verbreitung von kommunistischen/sozialistischen Ideologien unter Anarchisten. Einmal deshalb weil der Sozialismus mit seiner quasi allmächtigen Regierung das genaue Gegenteil einer Anarchie darstellt und Sozialisten eben eine solche sozialistische Regierung gründen wollen und es somit dann ja keine Anarchie mehr wäre und die Anarchie dann lediglich dazu dient die alte Regierung zu beseitigen um dann die neue sozialistische Regierung zu ermöglichen. Und einmal weil Kommunisten und Sozialisten alte bestehende Werte (welche bei einer Anarchie eine Anomie verhindern würden) zu beseitigen suchen. ((//„Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung. Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern.“// - Letzter Absatz im „Manifest der Kommunistischen Partei“ von Karl Marx))((//„Die Moral ist die ‚Machtlosigkeit in Aktion’.“// K. Marx, F. Engels, Die heilige Familie, MEW 2, S. 213.)) ((//"Die Kommunisten predigen überhaupt keine Moral, was Stirner im ausgedehntesten Maße tut. Sie stellen nicht die moralische Forderung an die Menschen: Liebet Euch untereinander, seid keine Egoisten usw.; sie wissen im Gegenteil sehr gut, dass der Egoismus ebenso wie die Aufopferung eine unter bestimmten Verhältnissen notwendige Form der Durchsetzung der Individuen ist."// K. Marx, F. Engels, Deutsche Ideologie, MEW 3, S. 229)) |
- | ===Beispiele für Gesellschaften, die ohne eine Regierung existier(t)en:=== | ||
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- | Davon hat es Tausende gegeben. Ich könnte ein Dutzend nur aus dem Stegreif nennen: | ||
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- | die Bororó, | ||
- | die Baining, | ||
- | die Onondaga, | ||
- | die Wintu, | ||
- | die Ema, | ||
- | die Tallensi, | ||
- | die Vezo, | ||
- | die Khoi-San, | ||
- | die Inuit, | ||
- | die Ainu, | ||
- | die Jakuten, | ||
- | die Tungusen, | ||
- | die Irokesen, | ||
- | die Algonkin, | ||
- | die Huronen, | ||
- | die Mohikaner, | ||
- | die Waorani, | ||
- | die Yanomami, | ||
- | die Andamanen, | ||
- | die Pygmäen-Völker, | ||
- | die Kabylen Nordafrikas vor der frz. Okkupation.... | ||
- | die Bororo Völker, | ||
- | die Piaroa Völker, | ||
- | die Tiv Völker, | ||
- | die Abipón Völker, | ||
- | die Mocoví Völker, | ||
- | die Kadiweu Völker | ||
- | die Guaicuru, | ||
- | die Guarani languages|Tupi-Guarani, | ||
- | Nivaclé people|Chulupi, | ||
- | Baining, | ||
- | Onondaga Völker, | ||
- | Wintu Völker, | ||
- | Kemak Völker|Ema, | ||
- | Wyandot Völer|Huronen, | ||
- | Mahican, | ||
- | Huaorani people|Waorani, | ||
- | Yanomami, | ||
- | Indigenous Australians, | ||
- | Aboriginal peoples in Canada, | ||
- | Indigenous peoples of the Americas, | ||
- | Taiwanese aborigines, | ||
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- | all diese eindeutig an-archen herrschaftsfreien Gesellschaften haben noch nie etwas von irgendeiner anarchistischen Philosophie der Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit gehört, dennoch haben sie einfach anarchisch gelebt in ihren egalitären Strukturen, ohne das es ihnen jemals ein Mensch, ein Weißer Europäer erklären musste, wie sie zu leben hätten, es war für sie das natürlichste der Welt in selbst verwalteten egalitären Clans und Stämmen zu leben ohne staatliche Herrschaftsstrukturen. | ||
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- | Du sagst jetzt gewiss das sei alles ein Haufen Primitiver. Also gut. ganz im Gegenteil sogar, viele Jäger- und Sammler Gemeinschaften kennen überhaupt keine Funktion eines Häuptlings und selbst bei den nordamerikanischen Indianern hatte der Häuptling allgemein recht wenig zu sagen, er musste genau wie jeder andere Indianer auch sein Wild selber erjagen, lebte genau wie jeder andere auch in einem Zelt und wurde vom gesamten Stamm sozusagen basisdemokratisch gewählt, auch von Frauen, die Funktion eines Häuptlings bestand lediglich in der Friedenssicherung beim Unterhandel mit anderen Stämmen, niemals durfte ein Häuptling über ein anderes Stammesmitglied oder über Krieg und Frieden entscheiden, das durfte nur der Ältestenrat und jedes Stammesmitglied gelangte ab einem gewissen Alter in diesen Ältestenrat, die Häuptlinge sind also keinesfalls mit europäischen absolutistischen Königen oder Kaisern zu vergleichen und ihre Position war nicht vererbbar wie bei unseren Monarchen, doch keiner möchte zurück in die Steinzeit, all diese egalitären Völker dienen hier nur als Beispiele. Es hat auch in der heutigen Zeit alle möglichen Arten von erfolgreichen anarchistischen Experimenten gegeben; Experimente mit der Arbeiterselbstverwaltung wie bei Mondragón; ökonomische Projekte, die auf dem Konzept der Geschenkökonomie beruhen, wie Linux; alle Arten politischer Organisation, die auf Konsens und direkter Demokratie beruhen.... | ||
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- | Nun, es ist ja nicht so, dass die Menschen es nicht versucht hätten. Die gesamte Vorgeschichte hindurch lebten die Menschen in anarchischen Zuständen, in Freiheit und Gleichheit, in der Clan- und Stammesorganisation, der Gentilstruktur wie Engels es nannte, der Staat existierte für Jahrtausende hindurch immer nur dort wo sich die Sklaverei entwickelte, die früheste Form eines primitiven Staates mit einer winzigen herrschenden Klasse und einer Menge Sklaven finden wir um 7300 v.Chr. in der anatolischen Stadt Cayönu, die ausgebeuteten Sklaven rebellierten jedoch offenbar gegen ihre Herren und beseitigten diesen Zustand wieder erfolgreich, erst nahezu 3000 Jahre später entwickelt sich die Sklaverei erneut, diesmal im Süden Mesopotamiens, um 4032 v. Chr. wurde die Stadt Eridu gegründet, im Laufe des 4 Jahrtausends v. Chr. wurden weitere Städte gegründet: Adab, Eridu, Isin, Kish, Kullub, Lagash, Larsa, Nippur, Sippar, Shurrupak, Ur und Uruk, das waren die zwölf ersten Städte auf den ältesten Keilschriftfunden, die 12 Städte vor der Flut wie die Sumerer sie nannten. Im Laufe der Zeit dehnte sich dieses System welches auf der Herrschaft von Menschen über andere Menschen beruht, welches also auf Sklaverei beruht, bis nach Ägypten ins Tal des Flusses Nil aus, wo Pharao Menes den ersten zentralisierten Staat auf afrikanischem Boden um 3150 v. Chr. errichtete. Die beiden Länder; Ober- und Unterägypten zu einem Reich unter seiner Herrschaft zusammen fasste. Doch zurück zu den anarchischen Gemeinschaften: | ||
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- | Auch noch lange nach dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht im Orient, lebten die freien Bauern der Jungsteinzeit für Jahrtausende hindurch in egalitären Dorfmarken und freien selbst verwalteten Gemeinwesen, Kommunen und auch Städten: zu nennen sind hier z.B.: | ||
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- | die Stadt Jericho ca. 9 500 BC - 1239 BC, | ||
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- | Irland ca. 7500 BC - 1640 AD, | ||
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- | Cayönü , östliches-Anatolien, ca. 7200 to 6600 BC. === | ||
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- | Chatal Hüyük, Ost-Anatolien, ca. 7400 v.Chr. - 6200 v.Chr. | ||
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- | Mohenjo-daro, Harappa Culture, Indus Tal-Zivilisation, ca. 3500 BC-1386 BC (bis zum Einfall der Arier am Indus, welche das Kastensystem einführten und die Urbevölkerungen Indiens als Shudra’s versklavten) , | ||
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- | Vedischer Anarchismus ab dem 2 Jahrtausend v. Chr., | ||
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- | die Stadt Abdera auf der Chalkidike ca. 1253 v.Chr. - ca. 513 v.Chr., | ||
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- | die freien Dorfmarken des frühen europäischen Mittelalters ab 476 AD, nach dem Fall Roms bildeten sich wieder tausende dieser | ||
- | freien Dorfmarken im frühen Mittelalter. Doch auch später gab es immer wieder Widerstände gegen dieses System der Sklaverei, so finden wir in Europa, nach der Absetzung des letzten römischen Kindkaisers im Westen Europas: Romulus Augustulus im Jahre 476 AD, so finden wir in fast ganz Europa für Jahrhunderte hindurch wieder die freien Dorfmarken. Auf den gemeinschaftlichen Besitz, und oft genug auf die gemeinsame Bebauung des Bodens gegründet, souverän als Richter und Gesetzgeber kraft Herkommens, — befriedigte die Dorfgemeinde die meisten Bedürfnisse eines geselligen Wesens. | ||
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- | das keltische Irland (ca. 650-1650), | ||
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- | das Isländische Commonwealth (930 bis 1262), | ||
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- | die freien Dorfmarken des europäischen frühen Mittelalters ab dem Fall Roms ab 476 AD | ||
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- | die freien Städte und Stadtbünde des europäischen Hochmittelalters ab dem 12 Jh: | ||
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- | der lombardische Bund | ||
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- | der toskanische Bund | ||
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- | der russische Bund | ||
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- | der polnische Bund | ||
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- | der serbische Bund | ||
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- | der rheinische Bund (welcher aus ganzen 60 freien Städten bestand) | ||
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- | der westfälische Bund | ||
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- | der böhmische Bund | ||
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- | der Bund der skandinavischen Hansa | ||
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- | Fürst Kropotkin schrieb dazu 1896 in “Die historische Rolle des Staates”: | ||
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- | Und da brach im 12 Jh. die Revolution der Kommune aus, seit langem vorbereitet durch diesen Geist der Vereinigung und entsprungen aus dem Bündnis zwischen der Schwurbrüderschaft und der Dorfgemeinde. Diese Revolution, welche die Masse der Universitätshistoriker zu ignorieren vorzieht, rettete Europa vor dem drohenden Unheil. Sie gebot der Entwicklung der theokratischen und despotischen Königreiche Halt, welche unsere Kultur nach ein paar Jahrhunderten prunkvoller Machtentfaltung zu Grunde gerichtet hatten, wie einst die Kulturen Mesopotamiens, Assyriens, Babyloniens. Sie eröffnete eine neue Lebensphase — die Phase der freien Kommunen. | ||
- | Es ist leicht zu verstehen, warum die modernen Historiker, erzogen im Geiste Roms und bemüht, alle Einrichtung auf Rom zuruck zuführen, den Geist der kommunalistischen Bewegung des zwölften Jahrhunderts so schwer begreifen können. Eine männliche Selbstbejahung des Individuums, welches durch den freien Bund der Menschen, der Dörfer, der Städte eine Gesellschaft aufbaut, war diese Bewegung eine absolute Verneinung jenes römischen Geistes der Gleichmacherei und Zentralisation, aus welchem der Geschichtsunterricht unserer Hochschulen die Geschichte zu erklären sucht und die Geschichte des Mittelalters und der Bauernkriege gegen die sich aufkeimenden feudalen Staaten der sich anbahnenden Fürstenherrschaft viel mehr vertilgt und zu vertuschen sucht. Obendrein knüpft es sich weder an eine einzelne historische Persönlichkeit, noch an irgend eine Zentralbehörde. | ||
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- | Es ist ein natürliches, anthropologisches Gebilde, das, wie die Horde und die Dorfgemeinde, einer bestimmten Phase der Menschheitsentwicklung angehört, nicht- aber einem bestimmten Volke und einer bestimmten Religion. Darum kann es die Universitätswissenschaft nicht fassen; darum haben Augustin Thierry und Sismondi, die den Geist jenes Zeitalters begriffen hatten, keine Fortsetzer in Frankreich gefunden, wo heute Luchaire der einzige ist, der die Tradition des großen Historikers der merovingischen und kommunalistischen Epoche wieder aufgenommen hat. Darum hat man in England und Deutschland erst in jüngster Zeit angefangen, jene Periode zu studieren : und' ihren Geist ahnend- zu begreifen. | ||
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- | Die Kommune des Mittelalters, die freie Stadt, entsprang einerseits der Dorfgemeinde, andrerseits jenen Tausenden von Brüderschaften und, Zünften, die außerhalb der territorialen Einheit gegründet waren. Ein Bündnis dieser beiden Arten von Vereinigungen, entwickelte sie sich weiter im Schutz ihrer festen Mauern und Türme. | ||
- | In vielen Gegenden war sie ein natürliches Gewächs. Anderswo — dies war die Regel für das westliche Europa war sie das Ergebnis einer Revolution. | ||
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- | Sobald die Bewohner eines bestimmten Fleckens sich durch ihre Mauern hinreichend geschützt fühlten, bildeten sie eine „Verschwörung". | ||
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- | Sie schworen einander zu, alle schwebenden Zwistigkeiten, Beleidigungen, Schläge oder Verwundungen betreffend, fahren zu lassen, und sie schworen, bei allen künftigen Streitigkeiten keinen anderen Richter anzurufen als ihre selbsterwählten Schulzen. In jeder Handwerkszunft oder Nachbarschaftsgilde, in jeder Schwurbrüderschaft war dies seit langem der regelmäßige Brauch. In jeder Dorfgemeinde war dies früher der Brauch gewesen, bevor es dem Bischof oder Fürsten gelang, seinen' Richter erst vorzuschlagen, dann aufzudrängen. | ||
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- | Nunmehr betrachteten sich die Viertel und Pfarreien, welche den Flecken zusammensetzten, ebenso wie sämtliche Gilden und Brüderschaften, die sich daselbst entwickelt hatten, als eine einzige amitas, ernannten ihre Richter und beschworen den immerwährenden Bund zwischen all diesen Gruppen. | ||
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- | Schnell war ein Stadtrecht fabriziert und beschlossen. Im Notfall schickte man nach irgend einer kleinen Nachbarkommune, um deren Stadtrecht abzuschreiben (man kennt heute Hunderte solcher Stadtrechte), und die Kommune war konstituiert. Dem Bischof oder Fürsten, welcher bis jetzt der Richter der Kommune gewesen und oft mehr oder weniger ihr Herr geworden war, blieb dann nichts übrig, als die vollzogene Tatsache anzuerkennen .— . oder die junge „Verschwörung" mit Waffengewalt zu bekämpfen. Häufig „ oktroyierte " der König (das heißt jener Fürst, welcher nach der Oberhoheit über die anderen Fürsten strebte, und dessen Kasse allezeit leer war) das Stadtrecht, um Geld herauszuschlagen. Damit verzichtete er darauf, der Kommune seinen Richter aufzudrängen, gab sich aber doch einen Schein von Überlegenheit gegenüber den anderen Feudalherren. Aber dies war keineswegs die Regel; Hunderte von Kommunen lebten ohne eine andere Sanktion als ihren redlichen Willen. ihre Mauern und ihre Lanzen. | ||
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- | Binnen hundert Jahren verbreitete sich diese Bewegung mit verblüffender Gleichförmigkeit über ganz Europa — wohlgemerkt, durch Nachahmung — und sie ergriff Schottland, Frankreich, die Niederlande, Skandinavien, Deutschland, Italien, Polen, Russland. , Und wenn wir heute das Stadtrecht und die innere Organisation französischer, englischer, irischer, schottischer, skandinavischer, deutscher, polnischer, russischer, schweizerischer, italienischer oder spanischer Kommunen vergleichen, so müssen wir staunen über die fast absolute Gleichheit dieser Stadtrechte und der Organisation, welche unter dem Schutz dieser „Gesellschaftsverträge" heranwächst. Welche verblüffende Lektion für die Romanisten und Hegelianer, die kein anderes Mittel zur Hervorrufung gleichartiger Institutionen kennen, als die Knechtschaft vor dem Gesetz. | ||
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- | Vom atlantischen Ozean bis zum Mittellauf der Wolga, von Norwegen bis Italien wurde Europa übersät mit solchen Kommunen — die einen wurden volkreiche Städte, wie Florenz, Venedig, Nürnberg oder Nowgorod, die anderen blieben von kaum hundert oder selbst nur von zwanzig Familien bewohnte Flecken, und doch wurden sie von ihren blühenderen Schwestern als ebenbürtig behandelt. | ||
- | Es ist klar, dass die Kommunen, als lebensfrische Organismen, sich während ihrer Entwicklung differenzierten. Die geographische Lage, der Charakter des Außenhandels, die zu besiegenden äußeren Widerstände gaben jeder Kommune ihre eigene Geschichte. Aber bei allen ist das Prinzip das gleiche. Pskow in Russland und Brügge in Flandern, ein schottisches Städtchen von dreihundert Einwohnern und das reiche Venedig mit seinen Inseln, ein nordfranzösischer oder polnischer Flecken und das „schöne" Florenz stellen die nämliche amitas vor: den nämlichen Freundschaftsbund der Dorfgemeinden und der verbündeten Zünfte; ihre Verfassung ist in den Grundzügen die gleiche. | ||
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- | Im Allgemeinen ist die Stadt, deren Mauern mit wachsender Bevölkerungszahl an Umfang und an Dicke zunehmen und von immer höheren Türmen gekrönt werden, deren jeder durch ein bestimmtes Viertel oder eine bestimmte Gilde erbaut ist und ein dementsprechendes individuelles Gepräge zeigt — im Allgemeinen ist die Stadt in vier, fünf oder sechs Abschnitte geteilt, die wie Ausschnitte eines Kreises von der Burg gegen die Mauern ausstrahlen: Mit Vorliebe bewohnt jede „Kunst" oder Handwerkszunft ein Viertel, während die neuen Zünfte, die Jungen Künste", die Vorstädte besetzen, welche bald von einer neuen Festungsmauer umgürtet sein werden. | ||
- | Die „Gasse", oder das Kirchspiel, stellt die territoriale Einheit vor, welche der alten Dorfgemeinde entspricht. Jede Gasse, oder Kirchspiel, hat ihre Volksversammlung, ihren Marktplatz, ihr Volksgericht, ihren Priester, ihre Volkswehr, ihr Banner, und oft ihr Siegel, das Sinnbild der Selbstherrlichkeit. Mit andern Gassen verbündet, wahrt sie nichtsdestoweniger ihre Unabhängigkeit. | ||
- | Die Stadt endlich ist die Vereinigung der Viertel, der Gassen, der Kirchspiele und der Zünfte, und sie hat ihre Volksversammlung auf dem großen Platz, ihre große Markthalle, ihre erwählten Richter, ihr Banner, um das sich die Streitkräfte der Gilden und der Viertel scharen. Sie verhandelt souverän mit anderen Städten, sie verbündet sich mit wem sie will, schließt Allianzen innerhalb und außerhalb der Nation ab. So stehen die englischen „ fünf Hafen" um Dover im Bunde mit französischen und niederländischen Häfen jenseits des Aermelmeers; das russische Nowgorod ist Bundesgenossin der skandinavisch-deutschen Hansa, und so weiter. Nach außen hin besitzt jede Stadt sämtliche Befugnisse des modernen Staates ohne jedoch selbst Staat zu sein, also ohne Herrschaft über seine Stadtbürger auszuüben, und von diesem Zeitalter an bildet sich durch freie Verträge das heraus, was man späterhin Völkerrecht nennt, ein Recht, das der Sanktion der öffentlichen Meinung sämtlicher dieser freien Städte untersteht, und das in späteren Zeiten der Staat öfter Verletzt als achtet. Wie oft und oft schickte eine Stadt, wenn sie in einem verwickelten Fall nicht imstande war, „den rechten Spruch zu fällen", nach einer Nachbarstadt, um dort „nach dem rechten Spruch zu fragen!" Wie oft und oft äußerte sich dieser herrschende Zeitgeist — : die Vorliebe für frei gewählte Schiedsgerichte im Gegensatz zu ständigen richterlichen Behörden — in der Tatsache, dass zwei Kommunen eine dritte als Schiedsrichterin anriefen! | ||
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- | In diesen Städten, im Schutz der eroberten Freiheiten, angeregt von dem Geiste der freien Vereinbarung und der freien Initiative, wuchs eine vollständig neue Kultur herauf und gelangte zu einer Blüte, die in der Geschichte bis auf den heutigen Tag nicht ihresgleichen hat. | ||
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- | Unsere ganze moderne Industrie stammt aus diesen Städten. Binnen drei Jahrhunderten erreichten dort Handwerke und Künste eine solche Vollendung, dass unser Jahrhundert sie nur an Raschheit der Produktion zu übertreffen gewusst hat, selten an Güte, sehr selten an Schönheit der Produkte. All jene Künste, die wir heute umsonst wieder zu erwecken suchen: die Schönheit eines Rafael, die Kraft und Kühnheit eines Dante, die Wissenschaft und Kunst eines Leonardo da Vinci, die sprachgewaltige Poesie eines Dante, endlich jene Baukunst, der wir die Dome von Lyon, von Rheims, von Köln verdanken — „Das Volk hat sie gemauert", wie Viktor Hugo so treffend sagt — die Schönheitsschätze vom freien Florenz und vom freien Venedig, die Rathäuser von der freien Hansestadt Bremen und vom freien Prag, die Türme von der Freistadt Nürnberg und vom freien Pisa, und so fort ins Unendliche — all dies waren Erzeugnisse jener Periode. | ||
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- | In der Kommune kämpfte man für die Eroberung und Behauptung der Freiheit des Einzelnen, für das Prinzip der Föderation, für das Recht, sich zu vereinigen und zu wirken; wogegen die Staatenkriege den Zweck hatten, diese Freiheiten' aufzuheben, den Einzelnen zu unterjochen, die freie Vereinbarung zu vernichten, die Menschen zu vereinigen in gleichem Sklaventum vor dem König, dem Richter, dem Priester, dem Staat. | ||
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- | Darin liegt der ganze Unterschied. Es gibt Kämpfe und Konflikte, die töten. Und es gibt solche, die der Menschheit vorwärts helfen. | ||
- | Im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts treten moderne Barbaren auf,. um diese ganze Kultur der Städte des Mittelalters zu zerstören. Diese Barbaren vernichten sie wohl nicht völlig, aber sie hemmen doch ihren Lauf für zwei bis drei Jahrhunderte. Sie geben ihr eine neue Richtung. | ||
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- | Sie unterjochen den Einzelnen, sie nehmen ihm alle seine Freiheiten, .sie heißen ihn die Vereine vergessen, die er sonst auf die freie Initiative und die freie Vereinbarung gründete, und ihr Ziel ist gleichförmige Unterwürfigkeit der gesamten Gesellschaft gegen den Herrn, den Fürsten, den König, welcher der Staat ist. Sie zerstören alle Bande zwischen den Menschen, indem sie Staat und Kirche als die fortan einzigen Vermittler zwischen den Untertanen einsetzen; indem sie Staat und Kirche zu ausschließlichen Wächtern einsetzen für die Interessen der Industrie, des Handels, der Rechtsprechung, der Kunst, des Gemüts, für welche die Menschen des zwölften Jahrhunderts sich direkt zu vereinigen pflegten. | ||
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- | Und wer sind diese Barbaren? — Es ist der Staat: der endlich konstituierte Dreibund des Söldnerfiihrers, des römischen Richters und des Pfaffen — diese drei zu einer wechselseitigen Herrschaftsversicherung vereinigt, zu einer einzigen Macht, welche im Namen des Interesses der Gesellschaft befiehlt und diese Gesellschaft erdrückt. | ||
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- | Aber unter dem Einfluss der christlichen Kirche, die immer die Autorität geliebt, immer eifersüchtig danach gestrebt hat, die Seelen und vor allem die Arme der Gläubigen in ihre Gewalt zu bekommen; und andererseits unter dem Einfluss des römischen Rechts, das schon seit dem zwölften Jahrhundert an den Höfen der mächtigen Lehnsherrn, der Könige und Päpste, Verwüstungen anrichtet und bald zum Lieblingsstudium auf den Universitäten wird — unter dem Einfluss dieser beiderlei Lehren, die sich so vortrefflich vertragen, obwohl sie ursprünglich so verbissene Feinde waren, entarten die Geister im selben Maße als der Pfaffe und- der Jurist triumphieren. | ||
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- | Der Mensch lernt die Autorität lieben. Wenn sich in einer Kommune eine Revolution der niederen Zünfte vollzieht, so ruft die Kommune einen Retter an. Sie gibt sich einen Diktator, einen städtischen Caesar, und sie verleiht ihm unbeschränkte Vollmacht zur Austilgung der Gegenpartei. Und er macht davon Gebrauch mit all der raffinierten Grausamkeit, welche die Kirche ihm einbläst oder das Beispiel der despotischen Königreiche des Orients ihm eingibt. | ||
- | Die Kirche stützt ihn natürlich. Hat sie nicht allezeit den biblischen König herbeigesehnt, der sich vor dem Hohepriester. in den Staub wirft und sein gelehriges Werkzeug ist? Hat sie nicht mit all ihrer Kraft den rationalistischen Geist gehasst, der in den freien. Städten wehte seit der ersten Renaissance, jener des zwölften Jahrhunderts; später jene „heidnischen" Ideen, die unter den. Einfluss der Wiederentdeckung der griechischen Kultur den Menschen zur Natur zurückführten, und noch später jene Ideen, von denen beseelt die Menschen sich im Namen des Urchristentums wider Papst und Pfaffen und jeden Kult empörten? Das Feuer, das Rad, der Galgen, diese der Kirche allzeit so treuen Waffen, wurden gegen diese Ketzer ausgespielt.- Und wer immer ihr Werkzeug, war: Papst, König oder Diktator - gleichviel, wenn nur Feuer, Rad und Galgen gegen die Ketzer in Tätigkeit blieben! | ||
- | Und unter diesem zwiefachen Einfluss der Lehren des römischen Juristen und des Pfaffen starb der föderalistische Geist, der Geist der Initiative und der freien Vereinbarung, verdrängt von dem Geiste der Disziplin der autoritären Organisationspyramide. Der Reiche und die Plebs verlangten beide nach einem Retter. | ||
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- | Der Sieg des Staates über die mittelalterlichen Kommunen und die föderalistischen Einrichtungen vollzog sich jedoch nicht mit einem Schlage. Einen Augenblick war er bedroht, ja ungewiss. | ||
- | Eine ungeheure Volksbewegung — religiös in ihrer- Form und ihren Ausdrucksweisen, aber hervorragend gleichheitlich und kommunistisch in ihren Bestrebungen — entstand in den Städten und Landschaften des mittleren Europa. | ||
- | Schon im vierzehnten Jahrhundert (1358 in Frankreich und 1381 in England) hatten sich zwei große Bewegungen ähnlicher Art abgespielt. Die beiden mächtigen Erhebungen der Jacquerie und Wat Tyler's), hatten die Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert. Jedoch waren beide hauptsächlich gegen die Grundherren gerichtet gewesen. Zwar wurden beide besiegt: dennoch aber hatte der Bauernaufstand in England vollständig mit der Leibeigenschaft aufgeräumt, und die Jacquerie in Frankreich sie dermaßen in ihrer Entwicklung gehemmt, dass fortan die Eirichtung der Leibeigenschaft nur ein kümmerliches Dasein fristete, ohne jemals die Entwicklung zu erreichen, die sie später in Deutschland und Osteuropa erreichen sollte. | ||
- | Lange Zeit ist.diese Bewegung von den Staats- und kirchentreuen Geschichtsschreibern entstellt worden; heute beginnt man eben erst, sie zu verstehen. | ||
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- | Die absolute Freiheit des Einzelnen — der bloß den Geboten seines eigenen Gewissens gehorchen sollte — und der Kommunismus waren die Losungsworte dieser Erhebung. Und erst später, als es dem Staat und der Kirche gelungen war, die feurigsten Vorkämpfer auszurotten und sich der Bewegung die bisherweise zu ihrem eigenen Vorteil zu bemächtigen, wurde sie ihres revolutionären Charakters beraubt und zur lutherischen Reformation herunter verhunzt. | ||
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- | Sie begann mit dem kommunistischen Anarchismus, der nicht nur gepredigt, sondern an einigen Orten auch in die Tat umgesetzt wurde. Und, wenn man von den religiösen Formeln absieht, die ein Tribut an den Zeitgeist waren, so findet man in jener Bewegung die wesentlichen Züge derselben Ideenströmung wieder, die wir heute vertreten : die Verneinung aller Gesetze, ob göttlich oder staatlich — das Gewissen jedes Einzelnen als sein alleiniges und einziges Gesetz, die : Kommune absolute Herrin ihrer Geschicke, von den Grundherren alles Land zurücknehmend und dem Staat alle Leistungen, sei es in Geld oder in persönlichen Diensten, verweigernd; kurzum, der Kommunismus und die, Gleichheit in Tat umgesetzt. Und als man Dauck, einen der Philosophen des Wiedertäufertums befragte : ob er nicht die Autorität der Bibel anerkenne? da antwortete er: dass allein jene Vorschrift der Lebensführung, die jeder Einzelne für sich aus der Bibel herauslese, für ihn verbindlich sei. Und doch enthielten diese so verschwommenen,' dem kirchlichen Jargon entlehnten Formeln, — die Autorität „der Schrift", der man' so leicht Argumente für und wider die Autorität entlehnen kann, und die so unzuverlässig ist, wenn es gilt, sich rund für die Freiheit auszusprechen — enthielt diese religiöse Färbung nicht' schon im Keime die sichere Niederlage der Bewegung? | ||
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- | In den Städten geboren, dehnte sich diese Bewegung bald ganz auf 'die Dörfer aus. Die;Bauern verweigerten all und jedem Herrn den Gehorsam; pflanzten als ihr Banner einen alten Schuh auf einen Spieß, ' eroberten den Grund und Boden von den Junkern- zurück, verjagten den Pfaffen und den Amtmann, und bildeten- freie Gemeinden. Und nur durch Scheiterhaufen, Rad und Galgen., nur durch die Niedermetzelung von mehr als hunderttausend Bauern in wenigen Jahren wurde das Königtum.'und' Kaisertum, verbündet; mit der päpstlichen oder evangelischen Kirche (Luther, hetzte. zur Niedermetzelung der Bauern noch heftiger auf, als'der Papst) Herr über diese Erhebungen, die einen Augenblick. lang die Begründung der ' im Entstehen begriffenen Staaten.in Frage gestellt hatten. | ||
- | Obgleich. aus dem volkstümlichen Wiedertäufertum geboren, stützte sich die lutherische Reformation, doch auf den Staat. und half ihm, das Volk niederzumetzeln und die Bewegung zu zertreten,. aus der sie in ihren Anfängen ihre Kraft gesogen hatte. Die Überbleibsel dieser Volkswehr flüchteten sich in die mährischen Brüdergemeinden, die hundert Jahre später ihrerseits durch Staat und • Kirche zerstört wurden. Jene unter den mährischen Brüdern, die nicht ausgerottet wurden, suchten Zuflucht, die Einen, im Südosten Russlands, die Anderen in Grönland, wo sie bis auf den heutigen Tag fortfahren konnten, in freien Gemeinden zu leben, dem Staate jeden Dienst verweigernd. | ||
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- | Fortan war die Existenz des Staates gesichert. Der Jurist, der Pfaffe und der adelige Kriegsmann, in solidarischem Bund um die Throne geschart, konnten ihr Vernichtungswerk zu Ende führen. | ||
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- | Welch einen Berg von Lügen haben uns die Staatstreuen,- staatlich. besoldeten Historiker' über diese Periode aufgetischt! | ||
- | Haben wir z..B. nicht alle auf der Schulbank gelernt, dass der Staat sich das große Verdienst erworben hat, auf den Trümmern der feudalen Herrschaft die nationalen Verbände zu begründen, die früher wegen der Eifersüchteleien der Städte unmöglich waren? Wir alle lernten es so in der Schule, und fast alle haben wir es im reifen Alter noch immer geglaubt. | ||
- | Und doch erfahren wir heute, dass trotz aller Eifersüchteleien schon die mittelalterlichen Städte während vier Jahrhunderten an der Herstellung dieser Verbände auf dem Wege freiwilliger Vereinbarung gearbeitet hatten, und dass es ihnen gelungen war. | ||
- | Der lombardische Bund z. B., umfasste die Städte Oberitaliens und hatte seine Bundeskasse, die in Genua und Venedig aufbewahrt wurde. Andere Verbände, wie der toskanische Bund, der rheinische Bund. (zu dem sechzig freie Städte gehörten), der westfälische, böhmische, serbische, polnische Bund, der Bund der russischen Städte, erfüllten Europa. Gleichzeitig umfasste der Handelsbund der Hansa skandinavische, deutsche, polnische und russische Städte im gesamten Ostseegebiet.' Das waren keine bloßen Ansätze mehr, hier bestanden tatsächlich schon ausgedehnte, vielgliedrige menschliche Gemeinschaften, die auf der freien Vereinbarung beruhten ohne staatliche Herrschaft. | ||
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- | Und das sechzehnte Jahrhundert, ein Jahrhundert der Schlachtereien und der Kriege, geht vollständig auf in diesem Kampf des werdenden Staates gegen die freien Städte und ihre Verbände. Die Städte werden belagert, gestürmt, der Plünderung preisgegeben, ihre Einwohner dezimiert oder verschickt.Der Staat siegte auf der ganzen Linie. Und siehe, dies waren die Folgen: Im fünfzehnten Jahrhundert war Europa übersät mit reichen Städten, deren Handwerker, die Maurer, die Weber und die Goldschmiede, Wunder der Kunst hervorbrachten, deren Universitäten die Grundsteine der Wissenschaft legten, deren Karawanen die Kontinente durcheilten und deren Schiffe die Meere, und Flüsse durchquerten. | ||
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- | Der Staat ist der Krieg. Und die Kriege verheeren Europa und vollenden den Ruin der Städte, soweit sie die Stadt nicht schon unmittelbar ruiniert hat. | ||
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- | Weitere Beispiele für das föderative Prinzip sind: | ||
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- | Die Osmanischen Korsaren der Berberküste waren Piraten welche anarchische Militär-Republiken auf dem Prinzip der Freiheit und Gleichheit nach dem föderalistischem Prinzip errichteten, welche für mehr als 300 Jahre überlebten. (1500-1830) | ||
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- | Rhode Island (1636-1648) | ||
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- | Albemarle (1640s-1663) | ||
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- | Libertatia (1670s to 1690s) | ||
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- | Holy Experiment (Quäker) Pennsylvania (1681-1690) | ||
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- | Utopia, Ohio (1847) | ||
- | Utopia (1847 to 1860s), | ||
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- | Modern Times (1851 to late 1860s) | ||
- | Modern Times (March 21, 1851), later renamed Brentwood, New York | ||
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- | Pariser Kommune an, (18 März, 1871 – 28 Mai 1871) | ||
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- | Home, Washington (1895) | ||
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- | Whiteway Colony (1898) | ||
- | die Whiteway Colony (seit 1898 bis heute) | ||
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- | Israeli Kibbutz Bewegung | ||
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- | Machnowtschina in der Ukraine, (November, 1918 – 1921) | ||
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- | die Münchner Räterepublik 1919 | ||
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- | Stapleton Colony (1921) | ||
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- | Tolstoyan Agricultural Communes (1921-1937) | ||
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- | Life and Labor Commune (1921) | ||
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- | die Shinmin autonome Region in Korea (1929–1932) | ||
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- | die Revolution im Republikanischem Spanien, das revolutionäre Katalonien (21 Juli 1936 – Mai 1937), | ||
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- | das Anarchistische Aragon (Juli 1936 – August 1937) | ||
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- | Anarchist Catalonia (1936 to 1939) | ||
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- | Ungarische Revolution (1956) | ||
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- | Twin Oaks Community, Virginia (1967) | ||
- | , Situationisten und Arbeiter/Studenten Besetzungs-Bewegung (Mai, 1968) | ||
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- | Freetown Christiania (September 26, 1971) | ||
- | Christiania seit 1971 bis heute | ||
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- | Italienische Fabrikbesetzung und Räte | ||
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- | Marinaleda, Spain (1979) | ||
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- | Kwangju Aufstand (Mai, 1980) | ||
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- | Polnische Revolution/Solidarnosz 1980 bis 1982 | ||
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- | Yubia | ||
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- | Acorn Community (1993) | ||
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- | Trumbullplex (1993) | ||
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- | die Zapatistas auf der Yucatan-Halbinsel seit 1995 | ||
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- | Emma Goldman Finishing School (1996) | ||
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- | Argentina (2001 bis 2002) | ||
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- | Abahlali baseMjondolo Rebellion: South Africa 2005 bis heute | ||
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- | Rojava seit 2012 | ||
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